"Jedes Gefühl hat einen eigenen Klang"

Wie Gott durch Tiefen trägt

Thea Eichholz-Müller im Gespräch mit Stephan Volke

für idea spezial, 1/2005


Es sind nicht immer die Höhen des Lebens, die die schönsten Lieder hevorbringen. Gerade wenn es durch Tiefen geht, zeigt sich, auf welchem Fundament das Leben steht. Für Thea Eichholz-Müller (38, 2 Kinder) war es wie ein Hammerschlag, als bei ihrem Ehemann und Musikerkollegen Bernd-Martin Müller im Alter von 38 Jahren eine unheilbare Krebserkrankung diagnostiziert wurde.

 

SV: Eine "harte Zeit" begann, ihr Mann starb vor 1 1/2 Jahren. Jetzt hat die Musikerin, Texterin und Sängerin eine CD mit sehr tiefgehenden Texten und trotz allem einer sehr hoffnungsvollen Grundstimmung herausgebracht: "Breite deine Flügel aus" (Gerth Medien).

 

Sturmzeiten im Leben sind oft Zeiten, die dem Leben Tiefe geben. Haben Sie das auch so erlebt?

 

TEM: Ja, sehr: Es wurde tiefer im Sinne von "schwerwiegender" und "bedeutungsvoller". Wobei ich auch vorher ein Mensch war, der das Leben nie leichtnahm. Ich hätte erwartet, daß mich Erlebnisse wie die der letzten zwei Jahre platt auf den Boden drücken würden. Das habe ich dann aber – Gott sei Dank – so nicht erlebt.

 

SV: Musikalisch finden sich auf der CD ruhige Töne. Hat sich die Bewältigung der Trauer auf die Umsetzung ausgewirkt, oder ist das ursprünglich Ihre Musik?

 

TEM: Ich mag Balladen, habe in meinem Leben aber auch schon eine Menge schnelle Songs komponiert. Musik bietet mir die Möglichkeit, Stimmungen einzufangen und Gebete auszudrücken. Und jedes Gefühl hat seinen eigenen "Klang".

Nicht nur, weil die meisten Songs vor dem Tod meines Mannes entstanden sind, würde ich statt "Bewältigung der Trauer" eher "Lebens- und Glaubensbewältigung" als Grundthema nennen. Das entlockte mir eher die ruhigeren Töne. Die Musik hilft mir noch immer – denn die schwere Zeit ist ja nicht vorbei. Es sind "meine Psalmen", mein Ventil, das Gott mir schenkt.

 

SV: Viele verzweifeln an Gott, wenn sie seine Wege nicht mehr verstehen. Warum Sie nicht?

 

TEM: Das klingt ein bißchen so, als wäre es eine Leistung, die ich erbringe: "Stark sein!" Aber nicht an Gott zu verzweifeln ist erst mal nicht mehr als eine Entscheidung, die ich und jeder fällen muss, sein ganzes Leben lang neu. Es gibt bei mir genause Phasen der "Ver-Zweiflung". Besonders in Tagen vor Konzerten gibt es Zeiten, in denen ich kämpfe und mit Gott ringe. Auch bei den Aufnahmen für die Produktion habe ich bei manchen Liedern mehrmals Anlauf nehmen müssen. Aber ich kann auch zurückblicken auf Begegnungen mit der Kraft und der Güte des lebendigen Gottes! Was habe ich davon, wenn ich ihm den Rücken zukehre? Mir hat mal jemand gesagt: "Höre nicht auf, ihm dein Herz auszuschütten, mit allem, was darin enthalten ist! – Dann wirst du auch nicht aufhören, Erfahrungen mit ihm zu machen."

Das sage ich heute und jetzt. Möge Gott mir helfen, daß ich das auch in fünf Jahren noch so sehe. Wie gesagt, es ist nicht meine Leistung.

 

SV: Durch die Lieder zieht sich ein roter Faden, der Gegenwart und Zukunft, Erde und Himmel miteinander verbindet. Was waren Ihre Gedanken bei dieser "Klammer"?

 

TEM: Bestimmte Ereignisse in unserem Leben lassen uns innehalten und ein Stück dessen erahnen, woraufhin wir geschaffen sind. Die Geburt eines Kindes z.B.: Ich kann mich nach den Geburten unserer Kinder daran erinnern, daß ich das Gefühl hatte, die Erde drehe sich anders! Eine neue Dimension kommt hinzu! Da klingt eine Musik an, die Sehnsucht macht auf mehr. – Das Sterben eines Menschen berührt einen ähnlichen Bereich meiner Seele und meines Geistes. Auch da sehe ich eine Schnittstelle zwischen der Ewigkeit und dem Leben hier. Meine letztendliche Heimat ist nicht hier. Aber oft lebe ich, als ginge es darum, hier aus diesem Erdensand etwas für die Ewigkeit zu kneten. Wie engstirnig und belastend! Wenn mein Herz schon jetzt und hier den Klang der Ewigkeit in sich trägt, muß das Auswirkungen darauf haben, wie ich einen nervigen Tag angehe, meine Kinder erziehe, meinen Beruf ausübe oder den Schaden an meinem Auto einordne. Das ist ein Weg, auf dem ich immer wieder die Spur verliere. Doch am Ende meiner Bemühungen steht Jesus Christus, und er öffnet mir den Weg in die lebendige Ewigkeit.