Lieder schreiben ist ein bisschen wie kochen

Sieben Jahre sind seit dem Erscheinen ihres Solo-Albums vergangen. „Breite deine Flügel aus“ hat vielen Menschen in Zeiten der Not Mut gemacht. Das Interview mit Thea Eichholz entstand kurz bevor ihr neues Album fertig wurde.

Sieben Jahre sind seit dem Erscheinen ihres ersten Solo-Albums vergangen. Mit „Breite deine Flügel aus“ hat Thea Eichholz viele Menschen beschenkt, die an schmerzhaften Grenzsituationen ihres Lebens angelangt waren. Diese CD wurde für über 20.000 verkaufte Exemplare mit dem „Impala-Silber“ Award ausgezeichnet. In der Zwischenzeit ist die Musikerin und Texterin als eine der Sängerinnen des erfolgreichen „Mütter-Kabarett“ unterwegs. Doch auch als Solo-Künstlerin hat sie ihren Zuhörern viel zu geben. Für viele war ihr neues Album längst überfällig. Der Verlag Gerth Medien hat mit Thea Eichholz gesprochen, kurz bevor sie die letzten Töne für das Album eingesungen hat.


GM: Liebe Thea, kannst du dich noch an dein erstes selbstgeschriebenes Lied erinnern? Hast du es vor Leuten gesungen?

 

TE: Nein, an das wirklich „erste“ komplette Lied kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich die Welt damit noch verschont habe ...:-)

 

GM: Was passiert in dir – und um dich herum – wenn du Lieder schreibst?

 

TE: Lieder zu schreiben ist ein bisschen wie Kochen. Mal ist es Entspannung, mal ist es spannend, weil man Neues kreiert, mal aber auch schlichtweg mühsame Arbeit. Meistens jedoch ist es für mich ein großes Glücksgefühl, wenn ein spannender Gedanke, eine neue Erkenntnis oder ein witziges Erlebnis in einem Lied eine „Bleibe“ findet.

 

GM: Schreibst Du Lieder tendenziell eher in ruhigen oder in stressigen Lebens-Umständen?

 

TE: Da gibt es keine Regel. Ideen sammle ich zu jeder Zeit in jeder Lebenslage. Am Bügelbrett, beim Joggen, im Gottesdienst, an der Supermarktkasse. Wenn dann z. B. ein neues Programm, eine neue CD ansteht, erlebe ich kreative Phasen wie einen Strudel, in den es mich immer weiter hinein zieht. Dann schlafe ich abends mit den Liedern ein und erwache mit ihnen am Morgen. Manchmal steh ich sogar nachts auf und schreibe weiter, um bis zum Morgen nichts zu vergessen.

 

GM: Manche Künstler bezeichnen „Lieder schreiben“ als eine Art Therapeutikum. Würdest Du das unterstreichen?

 

TE: Für mich trifft das zu. In besonderem Maße habe ich das bei meiner ersten CD erlebt, als ich den Tod meines ersten Mannes verarbeitete. Lieder sind auch meine Unterhaltungen mit Gott: meine Klagen, meine Dankeschöns, meine Fragezeichen und meine Lachanfälle. Manche Lieder sprudeln aus mir heraus, als gäbe es sie schon seit Urzeiten längst fertig in mir. Andere wollen lange gesucht und überredet werden, bis sie endlich hervorkommen. In jedem Fall tun sie mir gut!

 

GM: Mit den Songs deiner Solo-CD „Breite deine Flügel aus“ hast du unzählige Menschen berührt und getröstet - und mit dem Gefühl der Anteilnahme beschenkt, „ich war auch dort gewesen – in äußerst schwierigen Lebensumständen“. Was bedeuten die Lieder dieser CD heute für dich?

 

TE: Sie bedeuten mir sehr viel. Sie spiegeln eine bestimmte Lebensphase mit all ihren Nöten, Hoffnungen und Zielen wieder - wie ein lyrisches Tagebuch meiner Seele. Ich erinnere mich sehr genau, an die verschiedenen Umstände, in denen jedes einzelne Lied entstand. Nur noch wenige Lieder singe ich in meinem aktuellen Programm, denn das Leben hat weitere Themen bereit. Aber wenn ich hier und dort auf einen der Liedtexte stoße, wenn Menschen mir zu bestimmten Liedern Erlebnisse schreiben, tauche ich wieder ein in die Stimmungen und Erfahrungen jener Zeit. Das ist schmerzhaft und zugleich unendlich wertvoll. Ich staune über den Weg, den ich gehen konnte – mit Gottes Hilfe.

 

GM: Dein neues Album „Anders als vorher“ ist eine wundervolle Mischung aus heiteren Momenten und tiefen Gedanken. Wie hast du die Titel ausgewählt, die letztlich auf das Album gekommen sind?

 

TE: Lothar Kosse (Produzent), Benjamin Seipel (Arrangeur, Pianist der CD und Live) und ich, haben miteinander abgewogen, welche Songs mein Liveprogramm gut wiederspiegeln, an die letzte CD anknüpfen und – das ist ja auch nicht unerheblich– welche Lieder uns einfach am meisten Spaß machen. Dass einige Lieder dann leider nicht den Weg auf die CD finden, ist zwar schade – aber ein Luxusproblem.

 

GM: Was sollte ein Thea-Konzert-Abend haben, dass du sagst, das war ein schöner Abend?

 

TE: Kurz vor einem Konzert bin ich am meisten gespannt auf das Publikum. Und die größte Herausforderung besteht darin, miteinander in Kontakt zu kommen. Das geschieht manchmal, wenn die Leute entspannt sind, tatsächlich im „Gespräch“ zwischen Bühne und Publikum - ein Hin und Her, das mir besonders Spaß macht. Manchmal erfasse ich auch einfach nur Blicke, Lachen, Tränen im Augenwinkel , leise Schmunzler, geschlossene Augen (ja, es ist sogar schon mal jemand bei einer Ballade am Konzertende eingeschlafen – das nehme ich aber als Kompliment...). Zum anderen wünsche ich mir, das wir an so einem Abend gute Musik machen, einander zuhören, uns gegenseitig mit Ideen überraschen und dieses wunderbare Medium - unabhängig von allen „Fehlern und künstlerischen Schwächen“ - einfach selbst genießen können! Wenn beides zusammen kommt, habe ich wirklich das Gefühl, am richtigen Platz zu sein.

 

GM: Thea und „Die Mütter“. Zwei ganz unterschiedliche Bühnen-Programme. Wie greift da eins ins andere?

 

TE: Das verbindende Element ist für mich sicherlich das Songwriting für beide Programme. Und deshalb empfinde ich manche Programmteile gar nicht als so unterschiedlich. Auch für das Kabarettprogramm der „Mütter“ schreibe ich durchaus Songs , die Tiefgang haben, nachdenklich sind und zu Herzen gehen. Und auf der anderen Seite finden in meinem Soloprogramm immer mehr kabarettistische Lieder, Gedichte und Geschichten ihren Platz. Eben weil unsere verschiedenen Lebensstimmungen sich ja auch nicht separieren lassen in montags bis mittwochs tiefschürfend, donnerstags bis samstags „witzisch“ und sonntags hochheilig... Beide Programme würde ich als humorvoll und „geistreich“ bezeichnen - lediglich die Gewichtung ist unterschiedlich. Foto oben: „Mütter-sein ist humorvoll!“ Thea Eichholz - rechts im Bild.

 

GM: Gibt es eine Geschichte hinter dem Titelsong?

 

TE: „Bleibt nicht in der Vergangenheit stehen! Schaut nach vorne, denn ich will etwas Neues tun! Es hat schon begonnen, habt ihr es noch nicht gemerkt? Durch die Wüste will ich eine Straße bauen, Flüsse sollen in der öden Gegend fließen.“ Diesen Text aus Jesaja 43 habe ich am 25.4.2003 von einer Mitarbeiterin einer „Rüstwoche“ geschenkt bekommen. Das war ziemlich genau ein halbes Jahr bevor mein Mann starb. Damals hätte ich am liebsten nur mutmachende Heilungsprognosen gehört. Ich wollte nichts „Neues“. Ich wollte die Umstände meines alten, vertrauten Lebens erhalten!

Seitdem begleiten mich diese Worte, fordern mich heraus, trösten, ermutigen mich. 2007 war dieser Vers die Jahreslosung. 2007 heiratete ich wieder, zog in eine neue Stadt, bekam zwei wunderbare „neue“ Kinder dazugeschenkt. 2007 begann ich dieses Lied zu schreiben. – Die einen nennen es „Zufall“, die anderen „Führung“ oder „Kitsch“ – ich lebe es.

 

GM: Vielen Dank für das Gespräch!